Dr. Christian Böhm ist Leiter für Gewaltprävention bei der Schulbehörde Hamburg. Er unterstützt „Fit in Fair Play“ von Beginn an mit seinem Expertenwissen zum Thema Jugendgewalt.

 

Angela Weiland: Ist Mobbing in der Schule und/oder im Internet, wo man es ja auch Cyber-Bullying nennt, eigentlich strafbar?

Christian Böhm : Mobbing als Begriff ist kein Straftatbestandteil im juristischen Sinne, aber das was sich dahinter verbirgt: Schwere Beleidigung, Nötigung oder eben auch körperliche Übergriffe können natürlich strafrechtlich geahndet und bei der Polizei angezeigt werden. Es gibt Bundesinitiativen – auch durch Hamburg angeregt – die sich dafür einsetzten, dass der Bereich Mobbing auch als Straftat anerkannt wird. Was aber hinter Mobbing steht, wie zum Beispiel eine Ausgrenzung im Sinne von Nötigung oder Beleidigung, das sind natürlich auch schon jetzt strafbare Handlungen.

 

AW: Warum kann Cyberbullying teilweise sogar noch schlimmer verletzen als Gemeinheiten auf dem Schulhof?

CB: Die Gemeinheiten auf dem Schulhof passieren im direkten Kontakt. Die Beleidigung oder der Übergriff findet sozusagen von Angesicht zu Angesicht in der Schule statt. Cybermobbing hingegen greift über in den Freizeitbereich der Schüler und erreicht dort auch eine viel größere Zielgruppe derer, die es sehen, die es mitbekommen, die sich vielleicht auch sogar beteiligen, obwohl sie das Opfer gar nicht kennen. Man bekommt es nicht mehr aus dem Netz heraus, wenn es zum Beispiel um Fotos geht. Die eingestellten Bilder können quasi durch die ganze Welt gehen, vervielfältigt und so auch noch nach Jahren abgerufen werden. Cybermobbing betrifft also praktisch alle Lebensbereiche. Es ist dann nicht nur in der Schule dein Problem., sondern es ist auch in der Freizeit dein Problem. Du wirst möglicherweise Tag und Nacht terrorisiert. Ich glaube, dass das einfach noch mal so ein Quantensprung ist. Aber das direkte Mobbing gibt es schon noch. Einer muss ja ausgeguckt werden, der es jetzt ist. Es gibt dann irgendeinen Anlass, irgendeine Situation, wo dann irgendwer nicht mehr dazu gehört. Und ob es jetzt das Handy ist, die Hautfarbe, die Religion, ob es der Status ist, Familie oder besondere Begabungen oder auch eine Hochbegabung, andere Hobbys oder andere Interessen und so weiter – es ist willkürlich.

 

AW: Worin liegt Ihrer Meinung nach die Verantwortung der Medien, wenn es um Gewalt- und Mobbingprävention für Jugendliche geht?

CB: Wir sind glaube ich im schulischen Bereich schon auch in der Verantwortung, dass wir den jungen Menschen auf ihrem Lebensweg deutlich machen „da sind Chancen und Risiken von Medien“. Schule die immer nur sagt, „ihr müsst ab der vierten Klasse Power Point Präsentationen für die Referate nutzen“, muss sich auch mit der Mediennutzung in den anderen Bereichen auseinandersetzen. Da ist auch eine Verantwortung von Lehrkräften und von Schule gegeben. Das kann auch bedeuten, dass man sich eben nicht nur mit den fachspezifischen Fragestellungen von Schule beschäftigt, sondern eben auch mit den Auswüchsen, die über Mobbing und Cybermobbing stattfinden. Dass man nicht einfach sagen kann, „das interessiert uns nicht“, dieses Wegschauen und Augen zumachen ist eigentlich nicht die Verantwortungsübernahme, die ich mir wünsche. Und Medien selber sind natürlich erst mal technische Kommunikationsinstrumente, wo die Betreiber die damit dann viel Geld verdienen, auch in der Verantwortung sind Prävention zu unterstützen. Damit Kinder und Jugendliche damit auch adäquat umgehen können. Das wäre schon noch ein Thema, dass die Verantwortungsübernahme solcher Medieninstitutionen noch deutlicher stattfinden müsste.

 

AW: Was ist Ihr „Fit in FAIR PLAY“-Tipp für ein gutes Miteinander?

CB: Ich glaube, ein respektvoller Umgang ist der Schlüssel für alles und „Fit in FAIR PLAY“ beschreibt das letztendlich als Motto wunderbar. Man soll Respekt vor dem Anderen haben und sich darin fit zu machen heißt letztendlich, dass man tagtäglich daran arbeiten muss. Respekt im Sinne des Fair Play soll nach Regeln und auch nach bestimmten Ritualen den gemeinsamen Umgang gestalten und Kommunikation soll in den Vordergrund rücken. Sich „fit machen“ heißt, lebenslange Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich finde den Titel superklasse, weil er den Bereich, um den es geht, sehr gut beschreibt.  

 

AW: Was ist ihre rückblickende Erfahrung zum Malteser Schulwettbewerb „Fit in FAIR PLAY“?

CB: Ich glaube, dass wir mit einzelnen Hamburger Schulen gute Erfolge mit „Fit in FAIR PLAY“ hatten. Diese Schulen haben sich wirklich damit auseinander gesetzt. Wenn es wirklich eine Eigeninitiative ist und eine Motivation da ist, dann hat das eine größere Chance. Da, wo wir an der Oberfläche geblieben sind, wird das schon lange eingeschlafen sein. Das ist aber die Erfahrung von allen Präventionspro-grammen. Man muss es immer wieder am laufen halten und es immer wieder mit Aktivität unterfüttern, man muss Ansprechpartner vor Ort haben, die sich kümmern können, die das System noch mal in Bewegung bringen. Man muss eine gute „Kundenbindung“ haben, also Schule muss Ansprechpartner haben, an wen sie sich wenden kann und es müssen die Rahmenbedingungen von Schule berücksichtigt werden. Bei den Schulen, die aus Eigenmotivation gehandelt haben, da wird von „Fit in FAIR PLAY“ etwas sehr Positives geblieben sein.

 
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